Dienstag, 22. März 2011

Kampf um Tablet-Krone

Das schmucke Multimedia-Täfelchen hat ein paar ungewöhnliche Tricks drauf. Es kann mit seinen Smartphone-Geschwistern Daten austauschen, ohne mühsam mit ihnen verkabelt zu werden - nebeneinanderhalten genügt. Die eingebaute Kamera erlaubt Videotelefonie übers Internet, auch während man nebenher noch andere Programme benutzt. Und die Tastatur, die auf dem berührungsempfindlichen Display eingeblendet wird, passt sich an die Fingerfertigkeit der Nutzer an: Man kann aus vier Größen wählen, von mini bis maxi.

Es ist die Art von innovativer Querdenke, die man sonst von Apple kennt. Doch dieses Täfelchen heißt nicht iPad, sondern "TouchPad" und stammt vom PC-Riesen Hewlett-Packard (HP). Es gehört zum weiten Feld neuer Tablet-Rechner, die in diesen Wochen auf den Markt drängen, um das neueste Milliardengeschäft der Computerbranche nicht allein Apple zu überlassen. Kaum ein Jahr ist es her, dass die Kalifornier mit dem iPad ein Experiment wagten: Würden Menschen, die längst mit PC, Laptop und Smartphone versorgt sind, obendrein noch Geld ausgeben für ein Gerät, das aussieht wie ein zu groß geratenes iPhone und an sich keine rechte Bestimmung hat?
"Das Jahr, in dem sich Apple wehren muss"

Heute, gut 15 Millionen verkaufte iPads später, ist die Antwort klar - und Apple-Rivalen wie Acer, HP, Motorola und Samsung überschlagen sich im Bemühen, der Wunderflunder etwas Eigenes entgegenzusetzen. Mehr als 50 neue Tablet-Modelle - viele von ihnen derzeit auf der Cebit in Hannover zu sehen - sind allein für das Android-Betriebssystem angekündigt, das Google kostenlos an Hardware-Hersteller weiterreicht, damit seine Nutzer auch unterwegs fleißig weitergoogeln. Dazu kommen HP und Microsoft, die jeweils auf eigene Software setzen: HP hat im vorigen Jahr bei der Übernahme des Mobilcomputer-Pioniers Palm das WebOS-Betriebssystem mit eingekauft, während Microsoft unter Hochdruck daran arbeitet, die neue Mobilversion von Windows 7 auch für Tablet-Rechner einsatzbereit zu machen.

Am dichtesten ist bisher Google dem iPad auf den Fersen: Vor kurzem präsentierten die Kalifornier eine Android-Version, die darauf optimiert ist, den größeren Bildschirm, schnellere Chips und andere Zusatztalente der Multimedia-Täfelchen zu nutzen. Die Software, von Google "Honeycomb" (Honigwabe) getauft, bietet vieles, das iPad-Nutzern bekannt vorkommen mag: Bedient werden auch Android-Tablets mit Fingergesten; es gibt keinen herkömmlichen Schreibtisch und keine Dateiordner, sondern alle Programme ("Apps") verwalten ihre Daten selbst; und selbstverständlich hat auch Android seinen digitalen Einkaufsladen, aus dem neue Apps drahtlos und sekundenschnell heruntergeladen werden können. Die Unterschiede liegen eher im Detail - unter anderem können Honeycomb-Tablets gleich mehrere Miniprogramme, sogenannte Widgets, zugleich anzeigen. Damit lassen sich die neuesten E-Mails, der Wetterbericht und andere Informationen immer aktuell auf einen Blick erfassen.
Schwankende Qualität

"Google hat sich viele Gedanken gemacht, das merkt man", lobt Technikanalyst Michael Gartenberg vom Marktforscher Gartner Group. "Am Ende allerdings wird alles auf die Frage hinauslaufen: Wie gut sind die Geräte, die dabei herauskommen?" Das kann von Hersteller zu Hersteller stark schwanken, da Google den Entwicklern völlig freie Hand lässt, wie sie Android nutzen. Der eine Hersteller mag Kamera und hochauflösenden Bildschirm einbauen, um optimale Qualität zu bieten, der nächste setzt womöglich auf Billigbauteile, um Kosten zu sparen. Alles ist möglich bei diesem offenen System, und das könnte zum Bumerang werden, glauben manche Beobachter. "Bei Apple weiß man, was man bekommt", argumentiert der Unternehmensberater Rob Enderle, ein langjähriger Silicon-Valley-Kenner. Anders dagegen bei den Android-Tablets, die nun auf den Markt drängen, darunter zahlreiche Geräte von asiatischen Newcomern. "Vieles ist billiger Ramsch", sagt Enderle. "Das könnte für Android zum Problem werden, wenn zu viele Käufer enttäuscht sind."

Fürs Erste allerdings ringen die Apple-Herausforderer eher mit einem anderen Problem: Die wenigen Geräte von Markenherstellern, die es bereits gibt, sind vergleichsweise teuer. So verlangt etwa Motorola 800 Dollar (knapp 600 Euro) für sein neues Xoom-Tablet, das einen besseren Bildschirm besitzt als das iPad und grundsätzlich nicht nur über Wlan, sondern auch über Mobilfunk ins Netz gehen kann. Doch eine simplere Xoom-Version, preislich auf Augenhöhe mit Apples 500-Dollar-Einstiegsmodell des iPads, gibt es nicht. Ob das reicht, um dem Marktführer Kunden abzujagen? "Wenn Apple erst einmal ein Marktsegment kontrolliert, gibt es die Firma so schnell nicht wieder her", sagt Enderle. "Wer gegen das iPad punkten will, muss entweder deutlich besser oder billiger sein, denn die Menschen werden nicht bereit sein, für Android-Tablets mehr Geld auf den Tisch zu legen."
Bei den Apps liegt Apple weit in Führung

Vielleicht kommt die größte Gefahr für Apple ausgerechnet von einem ehemaligen Topmanager aus den eigenen Reihen: Jon Rubinstein war lange Jahre Hardware-Chef bei Apple und gilt als einer der Väter des iPod - nun leitet er bei HP die Entwicklung der Mobilgeräte. Dank der eigenen WebOS-Software kann HP das Zusammenspiel von Hardware und Betriebssystem präzise aufeinander abstimmen, ähnlich wie Apple.

Allerdings soll das TouchPad erst im Sommer auf den Markt kommen. Der Preis ist noch unbekannt, und HP steht vor einer noch größeren Herausforderung als Google. Denn damit die Tablet-Rechner für eine große Zahl von Nutzern interessant werden, brauchen sie Apps in Hülle und Fülle, für ein breites Spektrum von Anwendungen - und da liegt Apple bisher weit vor seinen Konkurrenten. Mehr als 350.000 Mobilprogramme führen die Kalifornier derzeit in ihrem App Store, darunter gut 60.000, die für das iPad optimiert sind. Android hinkt mit rund 100.000 Apps deutlich hinterher, während HP bisher auf lediglich 6000 "webOS"-Anwendungen für seine Palm-Smartphones kommt. "Apple ist es gelungen, sehr schnell die Unterstützung der Entwickler zu gewinnen", erklärt Gartner-Analyst Gartenberg. "Das ist einer der Gründe für den iPad-Erfolg."
Das iPad 2 ist schon in Sicht

Und während die Konkurrenz sich müht, den Vorsprung zu verringern, holt der Marktführer zum Gegenschlag aus: Für Mittwoch wird die Enthüllung des iPad 2 erwartet. Es soll leichter sein, so berichtet der Blog "AppleInsider", einen besseren, weniger spiegelnden Bildschirm bieten und mit einer eingebauten Kamera auch Videotelefonate ermöglichen. Ob es so kommt oder anders: Den Konkurrenten, die von der Cebit nach Kalifornien blicken, bleibt in jedem Fall die Aussicht, dass der Markt, um den sie alle rangeln, groß genug ist, um neben dem iPad reichlich Platz für weitere Geräte zu lassen. Fast 45 Millionen Tablet-Rechner dürften breits in diesem Jahr verkauft werden, schätzt der Marktforscher IDC - dreimal so viele wie 2010. Die Investmentbank Morgan Stanley wagt sogar die Prognose, dass Tablets schneller zum festen Bestandteil unseres Alltags werden als je ein Mobilgerät zuvor.

Quelle: www.stern.de

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