Donnerstag, 12. Mai 2011

Google Chromebooks

Was braucht ein Laptop, um ein richtiger Computer zu sein? Nicht viel mehr als eine Handvoll Rechenchips und einen Browser, argumentiert Google. Mitte Juni bringt der Suchmaschinenriese, gemeinsam mit seinen Partnern Acer und Samsung, eine neue Art von Laptop auf den Markt: Die Maschinen kommen ohne Festplatte und herkömmliches Betriebssystem aus, weil die Arbeit mit ihnen fast ausschließlich über den Browser abläuft. Daten werden nicht auf dem Rechner selbst gespeichert, sondern im Internet abgelegt - bei Diensten wie Google Docs, Flickr oder Photoshop.com. Google verspricht einfachere Handhabung und besseren Schutz vor Computerviren, weil Nutzer sich nicht selbst darum kümmern müssen, die Software auf ihrem Rechner zu pflegen: Das minimale Betriebssystem, Chrome OS genannt, will Google automatisch alle sechs Wochen aktualisieren, Onlinedienste werden ohnehin zentral verwaltet.

"Die Aufgabe, Computer zu warten, ist komplex und für jeden Nutzer eine Qual", sagt Google-Mitgründer Sergey Brin gegenüber Journalisten auf der Entwicklerkonferenz Google I/O in San Francisco. "Das Modell ist nicht mehr zeitgemäß." Die neuen Laptops, die Google "Chromebooks" getauft hat, brauchen nach dem Anschalten nur wenige Augenblicke, um betriebsbereit zu sein; das herkömmliche Hochfahren, bei dem der Rechner zunächst das Betriebssystem laden muss, entfällt. Stattdessen melden Nutzer sich mit ihrem Google-Konto an und sehen anschließend automatisch den Browser - es gibt keinen Schreibtischhintergrund und keinen traditionellen Dateimanager. Zwar können speziell programmierte Internetanwendungen, so genannte Web-Apps, Informationen vorübergehend auf dem Laptop ablegen, damit Nutzer auch ohne Netzverbindung arbeiten können, etwa auf Reisen. Doch der Speicher der ersten Geräte ist mit 16 Gigabyte stark begrenzt, denn statt einer Festplatte besitzen die Laptops Flash-Speicher. Der spart Strom und soll der Batterie helfen, den ganzen Tag zu halten.

Die ersten Geräte, die ab dem 15. Juni in sieben Ländern - darunter auch Deutschland -erhältlich sind, ähneln Netbooks, also kleinen, leichten Laptops, die auf Internet-Nutzung spezialisiert sind - und bisher meistens Windows oder Linux verwenden. Das Samsung-Laptop, das auf den Namen "Series 5 Chromebook" hört, besitzt ein Display mit 12,1-Zoll Diagonale, einen 1,66 Gigahertz Intel-Chip und wiegt etwa 1,5 Kilogramm. Das Acer-Modell ist mit 11,6-Zoll-Bildschirm etwas kleiner und wiegt nicht ganz 1,5 Kilo. In den USA kostet das Samsung-Notebook als reine Wlan-Variante 429 Dollar (etwa 300 Euro) und mit zusätzlicher 3G-Mobilfunk-Verbindung 499 Dollar. Das Acer-Chromebook soll ab 349 Dollar zu haben sein. Preise in Euro stehen noch nicht fest; Partner für das Mobilnetz in Deutschland ist E-Plus.

Während Privatkunden die Chromebooks über Internethändler wie Amazon kaufen können, hat Google für Firmen, Behörden, Schulen und Universitäten ein anderes Angebot parat: Statt die Web-Laptops in großer Zahl zu kaufen, können sie sie als Rundum-sorglos-Paket mieten. Für 28 Dollar je Nutzer und Monat (derzeit knapp 20 Euro) stellt Google die Geräte zur Verfügung und übernimmt die gesamte Wartung sowie Garantie. Fällt ein Laptop aus, wird es ohne Extrakosten ersetzt. Laut einer Google-Studie könnten die meisten Unternehmen "drei Viertel ihrer Nutzer auf Chromebooks umstellen", sagt Google-Manager Sundar Pichai da sich die Aufgaben der Mitarbeiter auch über Internetdienste abwickeln ließen. Viele Firmen hätten ohnehin noch das mittlerweile zehn Jahre alte Windows XP im Einsatz. "Das macht die Wartung zu einer enormen Herausforderung", so Pichai, der Projektleiter für Chrome.
Kampf um die Bürorechner

Das Mietangebot, das ebenfalls ab Juni in den USA und in weiten Teilen Europas beginnt, ist damit ein direkter Angriff auf Microsoft. Zwar bietet auch der angestammte König der PC-Welt seine Office-Software inzwischen als so genannten "Cloud Service" im Internet an; doch etwa ein Drittel seines Umsatzes von gut 62 Milliarden Dollar machte Microsoft im vorigen Jahr mit Windows - dem Betriebssystem, das Google nun für weitgehend überflüssig erklärt. "Es ist nicht so, das Windows schlecht wäre", wiegelt Sergey Brin ab. "Windows 7 hat einige sehr schöne Funktionen." Nur sei es eben lästig, wenn Nutzer - ob Firmen oder Privatleute - sich ständig darum kümmern müssen, ob die Software auf dem neuesten Stand und frei von Viren ist.

"Chromebooks verfolgen einen neuen Ansatz, bei dem die Last der Wartung nicht mehr auf den Schultern der Nutzer liegt", sagt Brin. "Ich glaube, diesem Prinzip gehört die Zukunft, und Unternehmen, die sich dem nicht anschließen, werden wenig Erfolg haben." Bedenken, die Chrome-Laptops könnten ein Versuch sein, Nutzer an Googles eigene Dienste zu ketten, weist Brin zurück: "Wenn Sie Google nicht trauen, können Sie zu jeder beliebigen anderen Website gehen, auch zu Bing oder Yahoo. Wir behandeln diese Dienste nicht anders als unsere eigenen."

Wer sich auf das Google-Modell einlässt, nimmt dennoch einige Einschränkungen in Kauf: Dadurch, dass die Laptops alle Informationen im Internet speichern, ist eine schnelle Verbindung Pflicht. Musik- und Filmfans können nur dann ihr Unterhaltungsprogramm genießen, wenn sie online sind und ihre Sammlung an Songs und Filmen im Internet speichern. Google hat dazu eigens am Dienstag seinen "Music Beta"-Service vorgestellt. Und wenn sehr große Dateien anfallen, mag ein Chromebook schlicht überfordert sein, das räumt auch Google ein: "Wenn Sie viel Zeit damit verbringen, Videos zu bearbeiten, ist ein Chromebook sicher nicht die beste Wahl", sagt Sundar Pichai. "Es ist nicht gedacht als Allround-Computer für jedermann."

Deshalb, so vermuten Analysten, wird es Google auch kaum gelingen, die Computerwelt von heute auf morgen auf den Kopf zu stellen. "Microsoft sollte sich das aufmerksam anschauen, hat aber keinen Grund zu unmittelbarer Sorge", urteilt Danny Sullivan, langjähriger Google-Beobachter und renommierter Suchmaschinenexperte. Solange die Vision vom allgegenwärtigen Datennetz noch in der Zukunft liegt, hätten vollwertige Laptops weiterhin Vorteile. "Chromebooks sind im Grunde nichts weiter als ein großer Web-Browser", sagt Sullivan. Doch für Menschen, die sich hauptsächlich online tummeln und ohnehin viele Google-Dienste nutzen, "ist dies der ideale Rechner".

Und als wollten die Chrome-Erfinder letzte Zweifel beiseite schieben, dass ihre Erfindung wirklich ernst zu nehmen ist, führte Google die Killer-App aus dem Spielesektor vor: Wer will, kann künftig auch auf einem Chromebook die beliebten "Angry Birds" durch die Luft sausen lassen. Ohne Extra-Software. Einfach so, direkt im Browser. Wenn das kein Fortschritt ist.

Quelle: www.stern.de

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